Heute morgen las ich in Jan Schmidts neuen Blog zum neuen Buch, dass er gerade dabei ist, die praxistheoretische Grundlage seiner Arbeit auszuformulieren. Da bin ich sehr gespannt, denn obwohl ich es im Weblog Buch als Heuristik zur Analyse des Materials gut gewäht fand, war ich damals etwas enttäuscht über die knappe konzeptionelle Ausarbeitung. Ich war mir damals nämlich nie sicher, was für eine Form von Praxistheorie da verfolgt wird (Giddens/Bourdieu/Garfinkel/Schatzki/Thevenot/Ihde/Latour?).
Das Problem, das Jan gestern nun geschildert hat (Routinen, Gewohnheiten und *-management : Das neue Netz) zeigt meiner Meinung nun, was daran die kozeptionelle Krux ist. Er schreibt:
Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass Praktiken repetitive Handlungsmuster darstellen; diese Handlungsmuster können aber unterschiedlich ‘fundiert’ sein: Einerseits kann es sich um Wiederholungen von Handlungen handeln, denen zumindest zu Beginn bestimmte bewusste Reflexionen zugrundelagen; die Routinisierung dient dann gerade dazu, diese Reflexion nicht wieder und wieder vornehmen zu müssen, wirkt also entlastend und komplexitätsreduzierend. Andererseits kann es sich um Wiederholungen von Handlungen handeln, die nie wirklich reflektiert wurden, sondern eher einem von vorneherein unbewusst ausgeübten Tun entsprechen (bei Bourdieu wären das ‘Ergebnisse’ des Habitus).
Jan fragt nun, ob es im Bereich des Umgehens mit neuen Netztechnologien auch Gewohnheiten (also nicht nachträglich routinisiertes, zuvor aber geplantes Tun) gibt. Dass die “Leute” (um einen so schönen Begriff von R. Williams und Das Bo zu nehmen) Facebook und Twitter zuerst nutzen, weil sie es sich vornehmen, dann es aber in ihr Repertoire unbewussten Tuns übernehmen, erscheint klar. Dass sich aber vielleicht auch so Tätigkeitsmodi einsschleifen, dafür scheint es weniger Beispiele zu geben.
Das Problem ist, wie mir scheint, dass eine heuristische Nutzung der Praxisbegriffs dazu verlockt, ihn handlungstheoretisch zu denken. Dann ist die Unterscheidung (fast schon webersch…) wieviel subjektiv gemeinter Sinn mit einer Praxis verbunden ist und ob der schon da sein musste, als man mit der Praxis anfing.
Der interessante Punkt praxistheoretischer Argumentationen (nicht nur Giddens/Bourdieu, da nur nebenbei) ist, so möchte ich behaupten, gerade darin, dass vielleicht ein Schuh draus wird, wenn man die Richtung umdreht: nicht neben geplanten und dann routinisierten Praktiken (die dann ja eigentlich auch Handlungen genannt werden könnten, schließlich kann man von subjektiv gemeintem Sinn ausgehen, nur ist er vielleicht vergessen) gibt es auch noch gewohnheitsmäßiges Tun. Vielmehr ist Praxis per se vorreflexiv, bezeichnet eigentlich nur Zusammenhänge des Tuns und Sagens. Reflektion und Planung sind dann wieder nur Ergebnis weitere Praxis.
Daraus folgt dann, dass bei JEDER Form von Aktivität mit Netztechniken Routinen und Gewohnheiten (wenn man diese Differenz nutzen will) stecken: Wie man beispielsweise mit Fenstern von Browsern umgeht, ob man an einem bleibt oder hektisch in und herschaltet, wie man tippt oder die Maus bewegt, welche Worte man wählt oder wie man die Bilder gemacht hat, die man bei Facebook einstellt. All das scheint mir per se nicht unterscheiden zu lassen in das, was man reflexiv tut und dann vergisst und das, was man einfach so macht. Bei all dem ist immer vieles dabei, was einfach so gemacht wird – einfach weil es sich so eingeschliffen hat oder weil sich das Geschick des Körpers einer planvollen Aktivität schlicht entzieht (was mir bei zu kleinen Handytasten manchmal auffällt). Und immer auch ein bisschen Nachdenken, Rechtfertigen oder Planung.